Mittlerweile befinde ich mich auf der Zielgeraden meines Chinaaufenthaltes. Bereits in weniger als einer Woche werde ich mich auf den Weg nach Indien machen. Wie schon im letzten Blog angekündigt, nutze ich die verbliebene Zeit um Ruhe zu tanken, weswegen ihr leider vorerst auch auf spektakuläre Erlebnisberichte verzichten müsst.
Die meiste Zeit seit dem letzten Bericht habe ich hier oben auf dem Berg verbracht. Zwar war das Wetter die ersten Tage ziemlich regnerisch, dies hatte jedoch den großen Vorteil, dass nur wenige Touristengruppen unterwegs waren.
Jetzt wo das Wetter wieder bombig ist, strömen dafür umso mehr Menschen auf den Berg. Mit diesen Reisegruppen ist das noch viel schlimmer als in Deutschland. Angeführt werden sie immer von einem jungen Mädchen, das mit einer Fahne und – wir sind ja in China – mit einem Mikrofon ausgestattet ist. Als Zeichen der Zusammengehörigkeit werden die Teilnehmer i.d.R mit einer peinlichen Mütze in Signalfarbe ausgestattet. Unter Dauerbeschallung wallt die Gruppe dann von Tempel zu Tempel.
Dies spiegelt leider auch die Entwicklung dieser Gegend wieder. Wie bei meinem ersten Wudangaufenthalt schon berichtet, investiert man Unmengen an Geld in den touristischen Ausbau. Und das nicht nur auf dem Berg, sondern auch unten im Tal, mit der Erweiterung des Tai Chi Lakes. Man kann nur hoffen, dass aus den Wudang Bergen nicht bald ein zweites Disneyland à la Shaolin wird. So scheinen die Verantwortlichen kein tieferes Interesse an den Schätzen des Wudang Kung Fu oder der taoistischen Tradition zu haben. Vielmehr hat man erkannt, wie gut sich das Ganze vermarkten lässt.

Heute habe ich beispielsweise einen Ausflug zu einem anderen Teil des Berges unternommen. Im Zehnminutentakt verkehren die Shuttlebusse von einer Attraktion zur anderen. Auf dem Rückweg hat der Bus an einer „Sehenswürdigkeit“ einen Zwangsstopp eingelegt. Ganz im Sinne einer Kaffee- oder besser gesagt einer Teefahrt, wurden alle aus dem Bus geschmissen, um genug Zeit an den dortigen Teeverkostungsständen verbringen zu können. Es ist wohl kein Zufall, dass dies genau der Rückweg ist, den alle Touristen nehmen müssen, die per Seilbahn auf dem Berg waren.
Um dem wuseligen Treiben zu entfliehen habe ich einen Versuch unternommen, an einen wohl authentischen Platz im Gebirge zu kommen. So habe ich den Tipp erhalten, dass man über einen zweiten Zugangsweg zu einem abgeschiedenen Kloster kommt, wo man sich wohl auch ein Zimmer nehmen kann. Da es dorthin aber keine öffentlichen Buslinie gibt, habe ich mir einen Fahrer organisiert. Außerdem habe ich mich mit guten chinesischen Zigaretten eingedeckt, um mich mit dem dortigen Schrankenwärter anfreunden zu können. Laut meiner Informationen sollte dieser, wenige Kilometer von dem Kloster entfernt sein und eben guten Tabak zu schätzen wissen! Allerdings bin ich gar nicht soweit gekommen, da es mittlerweile schon am Beginn der Zufahrtstraße, 15 km vom Kloster entfernt, eine weitere Schranke gibt und dessen Wärter überhaupt nicht scharf auf meine Zigaretten war. So wurde ich von ihm eindringlich gemustert und für nicht würdig befunden.
Ehrlicherweise war ich ihm in diesem Moment sogar recht dankbar. Hatten sich doch mittlerweile einige Zweifel an meinem Vorhaben gebildet (in welchem Loch wirst du dort übernachten? wie kommst du überhaupt wieder zurück?…) Mein Fahrer war jedoch so motiviert, mich an meinem Ziel bringen. Immer wieder habe ich ihm klar gemacht, dass dies kein Problem sei und er mich einfach in der Stadt wieder absetzen soll. Trotzdem hat er mit zwei Handys gleichzeitig alle möglichen Freunde angerufen – lauthals schreiend versteht sich. Letzten Endes hat er mich doch wieder in die Stadt gebracht, wo ich im Anschluss zwei Nächte verbracht habe. Das Treiben in so einem Provinznest ist natürlich um einiges ursprünglicher, als das in den Megacities.


